In meinem vorangegangenen Beitrag habe ich erläutert, wie unser Gesundheitswesen dem Ziel der chronischen Gesundheit im Wege steht. Wie dieses Ziel erreichbar ist, ist Gegenstand meines heutigen Beitrags.
Gesundheit als shareholder value.
Anfang diesen Jahres drohte die Ratingagentur Standard & Poor's den G20
Nationen mit einer Herabstufung ihrer Ratings beginnend in 2015. Der Grund: Die
bestehenden Gesundheits- und Rentensysteme werden unter der Krankheitskostenlast
einer zunehmend älter, kränker und dementer werdenden Bevölkerung
zusammenbrechen. Und damit das Wirtschaftswachstum ausbremsen.
Warum ist dieser Schuss vor den Bug so wichtig? Weil hier ausgesprochen
wird, was schon lange hätte erkannt werden sollen: Gesundheit ist nicht nur das
vielzitierte hohe Gut. Sie ist ein Wirtschaftsgut.
Ihre Gesundheit macht Sie produktiver für Ihren Arbeitgeber und profitabler
für Ihre Krankenkasse und Ihren Lebensversicherer. Sobald Ihre Gesundheit im Universum
des Shareholder Value auftaucht, haben Ihr Arbeitgeber, Ihre Kasse und Ihre
Lebensversicherung auch finanzielle Anreize, in Ihre Gesundheit zu investieren.
Und einen Anreiz, den Return-on-Investment mit Ihnen zu teilen. Im Rahmen einer
Gesundheitsdividende, die Sie für Ihre Gesundheitsbemühungen belohnt. Das
Schlüsselwort heißt Anreize. Fehlende Anreize sind der Grund für das Versagen
der Präventionsbemühungen unseres Gesundheitswesens.
Egal ob Geld oder Anerkennung oder was auch immer Ihren Nachbarn grün vor
Neid werden lässt, die treibende Kraft hinter allem menschlichen Handeln sind
Anreize. Sie sind als Triebfeder unseres Handelns in unsere Hirne programmiert.
In der programmiersprache des hyperbolic discounting. Wenn uns dieses Phänomen etwas
gelehrt hat, dann ist es die Notwendigkeit von Anreizen, mit denen wir jene
ausstechen können, die uns zu ungesundem Verhalten verführen.
Was hält unsere Firmen davon zurück, die Gesundheit ihrer
Beschäftigten massiv mit Anreizen
zu fördern? Sicherlich nicht die Geringschätzung ihrer Beschäftigten. Und
selten die Unberechenbarkeit des Return on Prevention. Meistens liegt es am
Fehlen eines Werkzeugs, das es ermöglicht, Belohnung an jene zu verteilen, die
es verdienen, und jenen vorzuenthalten, die nichts für ihre Gesundheit tun. Mit
Yoga- und Betriebsportgruppen gelingt das sicherlich nicht. Dass solch ein
Werkzeug im Rahmen betrieblicher Gesundheitsförderung funktioniert stellen wir
gerade unter Beweis. Wir haben dieses Werkzeug entwickelt um damit auch die
zweite und dritte Strategie zu realisieren.
Den eigenen Kopf überlisten
Wenn's ums Esesn geht lässt sich der Affe in uns kaum von dem kontrollieren,
was uns zum Menschen macht: Vernunft und freier Wille. Aber egal ob Mensch oder
Affe, Mutter Natur hat uns die Gabe des impliziten Lernens gegeben. Mit ihr
lernen wir komplexe Aufgaben zu meistern ohne erklären zu können, wie wir das schaffen.
Denken Sie ans Schwimmen oder ans Radfahren. Dies sind Beispiele für einen 6.
Sinn, mit dem wir unser Verhalten präzise so steuern, dass wir weder ertrinken
noch vom Rad stürzen. Warum nicht auch unser Essverhalten? Mit einem 6. Sinn für die tägliche
Kalorienbilanz schaffen Sie zwar nicht die Lust auf das Tiramisu aus der Welt,
aber er hilft Ihnen zu erkennen, welche Maßnahmen notwendig sind, um Ihre Kalorienbilanz
heute auf dem Kurs zu halten, mit dem Sie planmäßig Ihr Gewichtsziel erreichen.
Dass es funktioniert haben wir in unserem Labor getestet. Die Idee dazu kam uns
im Rahmen einer klinischen Studie, in der wir testeten, wie wir jenen Menschen
zur chronischen Gesundheit verhelfen können, die am stärksten gefährdet sind:
Übergewichtigen und Adipösen. Unser Probanden, die diesen 6. Sinn entwickelten,
nahmen ab und hallten ihr Gewicht noch heute.
Nun stellen Sie sich wahrscheinlich die Frage: Selbst wenn mein Arbeitgeber
mir die notwendigen Anreize gibt, wie kann ich sicher sein, dass mein geändertes
Bewegungs- und Ernährungsverhalten mir auch tatsächlich die chronische
Gesundheit beschert? Womit wir beim letzten Punkt angekommen sind:
Die Biomedizin weiß was wirkt
Die Biomedizin kennt keine wirksamere Intervention zur Verhütung von
Herzinfarkt, Schlaganfall und Diabetes als zielgerichtete Bewegung und
Ernährung. Mit dieser Strategie reduzierten die Probanden des Diabetes Prevention
Program das Risiko, Diabetes zu entwickeln um rund 60%. Jene Probanden die
statt einer Lebensstiländerung das Medikament Metformin einnahmen, schafften
nur halb so viel, 30% Risikoreduzierung.
Dass Bewegung das Risiko an chronischen Krankheiten zu sterben um 40%
reduzieren kann, ist aus großen Studien bekannt. Damit ist Bewegung in
ausreichender Intensität, Dauer und Häufigkeit die wirksamste Strategie zur
Verhütung dieser Erkrankungen. Auch
vieler Krebserkrankungen, darunter Darmkrebs, Prostatakrebs und Brustkrebs. Unser Gesundheitssystem aber
verschleudert das Potenzial dieser Strategie, denn es ist auf die Behandlung
von Krankheit ausgerichtet, nicht auf den Erhalt der Gesundheit. Solange keine
Risikofaktoren messbar sind, bleiben wir aber unter dem präventiven Radar
dieses Systems. So lange bis es zu spät ist. Denn wer als Mann mit 45 Jahren
noch frei von Risikofaktoren ist, hat eine 97%ige Chance seinen 80 Geburtstag
bei guter Gesundheit zu feiern. Liegen bereits 2 Risikofaktoren vor, wie
beispielsweise Bluthochdruck und erhöhtes Cholesterin, dann schrumpft diese
Chance auf 50%. Und selbst wenn Sie zu jener glücklichen Hälfte zählen, die die
80 Kerzen auf dem Kuchen ausblasen darf, werden Sie genau das wahrscheinlich
nicht mehr schaffen, denn eine der chronischen Krankheiten wird Ihnen die Kraft
dazu genommen haben.
Die gute Nachricht: mit den einfachen Gesundheitsverhalten - nicht rauchen,
ausreichende Bewegung und kein Übergewicht - können Sie heute schon bestimmen,
wie Ihre 80. Geburtstagsparty ablaufen wird.
Die schlechte Nachricht: Das alles sind keine neuen Erkenntnisse. Den
Kassen sind sie genau so bekannt wie den Wissenschaftlern, die sie erarbeiten.
Dass Präventionsbemühungen trotzdem nicht von den Kassen finanziert werden, hat
erstaunlicherweise nichts mit Geiz oder Unvernunft zu tun, sondern mit dem
Paragraphen 20 des fünften Sozialgesetzbuchs. Dort schreibt unser Gesetzgeber
den Kassen eine Ausgabengrenze für Prävention vor: € 2,84 pro Versichertem pro
Jahr. Offensichtlich sind die Bekenntnisse unserer Gesundheitsminister zur
Prävention nichts anderes als Lippenbekenntnisse.
Es
sind also nicht Defizite in Wissen oder Fortschritt, die uns das Zeitalter der
chronischen Gesundheit und Langlebigkeit vorenthalten. Es ist das Versagen
unseres Gesundheitssystems, das Wissen einzusetzen und damit die Gesundheit
endlich als das zu behandeln was sie ist, ein Wirtschaftsfaktor. Ist das nun
wirklich eine so radikale Änderung der Strategie unseres
Gesundheitswesens?
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